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Geschichte

Zur Geschichte von Kaulstoß

Die geschichtliche Entwicklung unseres kleinen Dorfes von der Frühgeschichte bis zur Gegenwart zu verfolgen, ist nicht leicht. Nur sehr spärlich fließen die geschichtlichen Quellen der verschiedenen Zeitepochen.

 

Konkrete Funde, die Aufschluss über den Zeitpunkt der Entstehung des heutigen Dorfes Kaulstoß geben, liegen leider nicht vor. Ein grünes Beilbruchstück (Serpentin), das um 1850 auf der Alteburg gefunden wurde, dürfte von bronzezeitlichen Jägern stammen, die damals den Vogelsberg besucht haben. Es ist noch heute im Hessischen Landesmuseum in Darmstadt verwahrt. Die Flurbezeichnung „Feuersteinsäcker“ deutet darauf hin, dass in diesem Gemarkungsteil unterhalb der Alteburg häufiger frühgeschichtliche Waffen und/oder Werkzeuge gefunden wurden, die vielfach als „Donnerkeile“ unter einem Dachsparren eines Kaulstoßer Landwirts gelandet sein dürften. Sie sollten das Haus vor Blitzeinschlägen schützen.

 

Anfang des 9. Jahrhunderts kam es zu einer Schenkung des karolingischen Königshauses an das Kloster Fulda. Einer der ältesten bekannten Gaugrafen der Karolinger war Borchart. Er war im Jahr 817 Gaugraf der Wettereiba, und er kommt vermutlich als Gründer der Siedlung „Borchartsroda“, dem heutigen Burkhards, in Betracht. In einer Urkunde vom 4. August 817 wird verbrieft, dass Gaugraf Borchart und seine Schwester Waltraud im Auftrag des fränkischen Königs dem Heiligen Bonifatius (d. h. dem Kloster Fulda) ihr „Territorium“ (demnach einen größeren Landbesitz) nächst dem Flusse Nithorn – der Nidder – mit allem Zubehör überlassen.

 

Der Gemarkungsteil „Einhardswald“ bzw. „Einhardswiese“ zeigt uns, dass auch die heutige Kaulstoßer Gemarkung zu der Schenkung gehörte. Einhard war seinerzeit Gelehrter am Kloster Fulda und am Hof von Kaiser Karl dem Großen. Zudem war er auch Biograph Karls des Großen.

 

Diese Schenkung gab dem Kloster neben dem königlichen Grundbesitz auch gleichzeitig die landesherrlichen Befugnisse (Lehnsherrschaft) über unser Gebiet.

Die Schenkungen an das Kloster Fulda

... nahmen im Laufe der Zeit ein solches Ausmaß an, dass es dem Kloster kaum noch möglich war, für eine ordnungsgemäße Erschließung der Ländereien (Rodungen) sowie für deren Verwaltung zu sorgen. Daher setzte es. „Vögte“ ein, die diese Aufgaben übernahmen. Die Vogteirechte für unser Gebiet erhielten die Grafen von Nidda bzw. später deren Rechtsnachfolger, die Grafen von Ziegenhain. Im Jahr 1450 ging die Grafschaft Ziegenhain auf den Landgrafen von Hessen über. Seitdem ist Kaulstoß ununterbrochen ein hessisches Dorf.

 

Die Dörfer des Vogelsberges, besonders des hohen Vogelsberges mit seinen zahlreichen Ortschaften, die auf „…rod“ oder „…hain“ enden, sind etwa ab dem 8. Jahrhundert gegründet worden. Da sich Kaulstoß in dem Kranz der „..rod“ und „…hain“-Dörfer befindet, ist zu vermuten, dass die Gründung des Dorfes ebenfalls in diesen Zeitrahmen fällt. Es dürfte sich damals um eine sehr kleine Siedlung gehandelt haben, die nur aus wenigen Häusern bestand.

 

Kaulstoß taucht allerdings erstmals in einer Urkunde vom 3. Februar 1352 auf. Inhaltlich geht es bei der Urkunde um eine Grundstücksangelegenheit in Gelnhausen, bei der die Lage des betreffenden Grundstücks detailliert beschrieben wird (es gab ja noch kein Grundbuch). In diesem Zusammenhang wird ein „Heinzen Kulstos“ erwähnt, der in Gelnhausen offensichtlich begütert war. Da es zum damaligen Zeitpunkt noch keine Zunamen gab und dem Vornamen in der Regel der Herkunftsort angefügt wurde, ist mit einiger Sicherheit davon auszugehen, dass der besagte „Heinzen Kulstos“ ein ehemaliger Kaulstoßer Bürger war.

Der Name Kaulstoß bietet verschiedene Interpretationsmöglichkeiten

Vermutlich bedeutet er so viel wie „der kühle Hang“ oder „Aufstieg“. Allerdings ist es auch möglich, dass er als Grenze eines Kulo oder Kaul zu erklären ist (stozen = stoßen, sich berühren, auch sich erstrecken, reichen, angrenzen). Die volkstümliche Erklärung geht dagegen davon aus, dass es sich um eine Ansiedlung von Köhlern handelt (Kaulstoß = Kohlenstoß).

 

Schon in früher Zeit gab es gefahrvolle Situationen für die Bevölkerung unserer Gegend. Die Überreste der vorhandenen Ringwälle auf der Alteburg und auch auf der Herchenhainer Höhe zeugen davon. Man darf heute mit Sicherheit davon ausgehen, dass auf der Alteburg zu keiner Zeit ein Bauwerk gestanden hat. Vielmehr gab es dort eine Art „Fliehburg“, die aus aufgeschichtetem Geröll bestand, hinter dem sich die schutzsuchende Bevölkerung bei drohender Gefahr verbergen konnte.

 

Eine besondere Bedeutung kam den beiden Nidderstraßen zu, die sich jeweils über den südlichen bzw. über den nördlichen Höhenrücken von Kaulstoß hinzogen. Sie stellten bedeutsame Verbindungsstraßen zwischen den kirchlichen Zentren Fulda und Mainz dar, und auf der rechten Nidderstraße wurde im Jahre 754 der Leichnam des ermordeten Missionars und Erzbischofs Bonifatius nach Fulda überführt, wo er im dortigen Dom beigesetzt ist.

Die Flurbezeichnung

„Warte“ kommt gleich zweimal in der Gemarkung vor – einmal am Verlauf der linken Nidderstraße und ferner an der Nidder in der Nähe der Eselsbrücke und einer Furt, die durch den Bach führte. Die Warten dienten der Überwachung des mittelalterlichen Verkehrs, waren evtl. auch Zoll- bzw. Kontrollstellen. Vom Dorf aus führt noch heute die „Ahle Gasse“ hinauf zur anderen Talseite auf die rechte Nidderstraße. Kaulstoß war demnach ein durchaus bedeutsamer „Knotenpunkt“ für den mittelalterlichen Reiseverkehr.

 

Kaulstoß muss man sich zu dieser Zeit als eine recht kleine Siedlung mit nur wenigen Häusern vorstellen. Viele dieser mittelalterlichen Wohnorte sind heute verschwunden, auch in unserer nächsten Umgebung. Einige Flurnamen in unserer Gemarkung lassen auf eine solche Siedlungsbefestigung schließen, wie z.B. „die Lambergk“ (=Landwehr) oder die Bezeichnungen „im Hof“, „in den Höfen“ oder „der Hohe Hof“. Daraus kann gefolgert werden, dass Kaulstoß früher aus einzelnen Höfen oder Mühlen bestand und erst später zu einem geschlossenen Dorf zusammenwuchs.

 

Eine gewisse Bedeutung kam Kaulstoß auch in kirchlicher Hinsicht zu. Schon einige Zeit vor Burkhards – nämlich bereits im 14. Jahrhundert, vermutlich aber schon früher – gab es in Kaulstoß eine Kapelle, die von Wingershausen aus betreut wurde. Aktuelle Recherchen haben ergeben, dass die Kapelle vermutlich im heutigen Gemarkungsteil „Schauerwald“ am östlichen Ortsrand Richtung Sichenhausen gestanden haben könnte. Wie lange die Kapelle existierte, ist leider nicht bekannt. Es ist denkbar, dass diese im Zuge der Reformation zerstört worden ist. Der Glaubenswechsel wurde von Landgraf Philipp dem Großmütigen in seinem Herrschaftsgebiet im Jahr 1526 verfügt.

 

Spätestens im Jahr 1616 aber dürfte die Existenz der Kaulstoßer Kapelle ihr Ende gefunden haben, denn in diesem Jahr wurden Burkhards und Kaulstoß zu einer selbständigen Kirchengemeinde und gehörten fortan nicht mehr der „Mutterkirche“ Wingershausen an.

 

Schaut man sich die Flurkarte von Kaulstoß an, so fällt auf, dass sich die Gemarkung als schmales Rechteck „handtuchartig“ in die Gemarkungen von Burkhards und Sichenhausen einfügt. Dies ist auf Grenzregulierungen mit den beiden Nachbargemeinden zurückzuführen. Die erste Grenzregulierung war 1572 zwischen den Gerichten Burkhards und Königstein vorgenommen worden. Hiervon zeugen noch heute alte Grenzsteine hinter der Alteburg, die auf „unserer“ Seite den hessischen Löwen und auf der Gedern zugewandten Seite das Eppsteiner Wappen tragen (Vorläufer des Stollbergischen Fürstenhauses). Bis 1611 war das gesamte Weideland Gemeinbesitz von Burkhards, Kaulstoß, Sichenhausen, Herchenhain und Hartmannshain. Erst durch Streitigkeiten und Schäden am Kulturland wurde 1611 eine Schiedsurkunde verfasst und alte Mahlsteine zwischen Kaulstoß und Burkhards gesetzt. Die Grenze zwischen Kaulstoß und Sichenhausen wurde dagegen erst 1778 endgültig festgelegt. Bei beiden Grenzziehungen wurde jeweils auf eine möglichst gerade verlaufende Grenzlinie Wert gelegt.

Im Jahr 1618

brach – ausgelöst durch den „Fenstersturz zu Prag“ – ein Krieg aus, der insgesamt 30 Jahre dauern sollte und der auch unserem Dorf vielfach Elend und Not, Hunger und Tod bringen sollte. Viele Bewohner hatten sich zum Ende des Krieges hinter die Stadtmauern von Nidda zurückgezogen. Durch die Kriegswirren war es nicht möglich die Felder zu bestellen. Die Folge war eine große Hungersnot. Hinzu kam eine schlimme Seuche – die Pest. In Sichenhausen starben von Februar 1635 bis Juli 1636 insgesamt 84 Menschen, in Herchenhain 150, in Hartmannshain 128. Von Kaulstoß liegen uns keine Zahlen vor, doch sicher waren auch hier ähnlich viele Tote zu beklagen.

 

Es dauerte viele Jahre, bis sich die Bevölkerung von den Schrecken dieses Krieges erholt hatte. Die ersten Einwohnerzahlen für die Zeit nach dem 30jährigen Krieg zeigen, dass die Dörfer des Niddertals dennoch einen raschen Aufschwung genommen hatten. Im Jahr 1660 zählte Kaulstoß wieder 148 und Burkhards 367 Einwohner.

 

Bis in die erste Hälfte des 18. Jahrhunderts hinein blieb Oberhessen von der Kriegsgeißel verschont. Es war aber keineswegs eine Zeitspanne ungestörter Ruhe. Die erhöhten Abgaben wegen des in den Jahren 1722/23 erbauten landgräflichen Jagdschlosses Zwiefalten lasteten schwer auf der Bevölkerung. Zudem war jeglicher Abschuss von Wild für die Jagdaufseher verboten und ausschließlich dem Landesherrn vorbehalten. Dadurch kam es zu schweren Wildschäden. Die hohen Abgaben im Zusammenhang mit der Finanzierung des Jagdschlosses und die hohen Wildschäden trugen mit dazu bei, dass viele das Angebot der Auswanderung nach Amerika, Ungarn und Russland annahmen. Ein russischer Regierungskommisar versprach den Auswanderern 30 Jahre Steuerfreiheit, Saatfrucht, Befreiung vom Militärdienst, Tagegelder und freie Verpflegung während der Reise. Unter zahlreichen Auswanderern waren auch zwei aus Kaulstoß, nämlich Stefan Junker und Johann Becker.

Im Jahr 1756

brach der 7jährige Krieg aus, von dem auch das Niddertal heimgesucht wurde. Zwar gab es keine unmittelbaren Kampfhandlungen, jedoch forderten durchziehende Truppen laufend hohe Abgaben, besonders an Heu, Stroh und Getreide.

 

In den Jahren von 1840 bis 1844 kam durch Missernten wieder Not in den Vogelsberg. Drei Viertel der Bevölkerung waren ohne Brot und ohne Kartoffeln, und im Kaulstoßer Armenhaus gab es viele Bewohner.

 

Von 1793 bis 1823 war der erste Kaulstoßer Lehrer, Johann Valentin Loos, tätig. Die erste Schule war im alten Henners Haus, wo eine große Stube als Schulraum diente. Im Jahre 1825 wurde unter dem damaligen Lehrer Rockel von der Gemeinde ein Haus als Schulhaus erworben. Das eigentliche Kaulstoßer Schulhaus (heutiges Dorfgemeinschaftshaus) ist um 1835 erbaut worden.

 

Im Jahre 1848 waren beim Bau der Main-Weser-Bahn auch Arbeiter aus Kaulstoß beschäftigt. Die Eisenbahn eroberte sich in Etappen ebenfalls den Vogelsberg. Im Jahr 1871 konnte man mit der Eisenbahn bis Lauterbach und Stockheim gelangen, 1888 bis Gedern und Schotten. Seit 1906 überschritt die Bahn bei Hartmannshain die Kuppe des Vogelsberges. Die erste Streckenlegung soll nicht über Ober-Seemen (wegen der starken Steigung zwischen Gedern und Ober-Seemen), sondern über Kaulstoß geplant worden sein. Man habe aber zu lange mit dem Bereitstellen des erforderlichen Geländes gezögert.

Am 1. August 1914

brach der 1. Weltkrieg aus. Auch für Kaulstoß hatte er schlimme Folgen. Es wurden 35 Männer einberufen, von denen sechs ihr Leben lassen mussten. Eine weitere schlimme Zeit begann kurz nach dem Krieg. Es war zunächst die Inflation zu verkraften. Im Jahr 1918 kostete ein Laib Brot 0,24 Reichsmark, im Jahr 1923 dagegen 200 Milliarden Reichsmark. Hinzu kam bis zum Jahr 1933 die allgemeine wirtschaftliche Not mit hoher Arbeitslosigkeit. Dies war der Nährboden für den Nationalsozialismus.

 

Nachdem die scheinbare wirtschaftliche Blüte, vor allem durch die Aufrüstung auf militärischem Gebiet und den Bau von Autobahnen, auch der Bevölkerung unseres Dorfes bescheidene Vorteile gebracht hatte, begann am 1. September 1939 der 2. Weltkrieg. Von über 40 eingezogenen Soldaten aus Kaulstoß kamen 16 ums Leben.

 

Kaulstoß wurde in den Jahren von 1945 bis 1946 für ca. 70 Heimatvertriebene eine neue Heimat, allerdings in den meisten Fällen nur vorübergehend. Die meisten von ihnen zogen nach kurzer Verweildauer weiter ins Rhein-Main-Gebiet, wo bessere Arbeits- und Verdienstmöglichkeiten zu finden waren.

 

Etliche blieben aber auch hier, heirateten, gründeten Familien und bauten sich eine neue Existenz im Vogelsberg auf.

 

Der Wiederaufbau brachte den sogenannten Wohlstand mit sich. Mehr als 20 Arbeiter aus Kaulstoß fuhren im Jahr 1960 mit Bussen in den Raum Frankfurt zur Arbeit. Mit meist im Straßenbau verdientem Geld erlebte auch die Landwirtschaft einen neuen Aufschwung. Neue Wohnhäuser und Ställe wurden gebaut. Die Technisierung der Landwirtschaft setzte sich immer mehr durch, die Umstellung vom Pferd auf den Traktor kam, und neue Arbeitsgeräte wurden angeschafft.

 

Im Jahr 1959 begann in Kaulstoß die Flurbereinigung. Über Generationen hinweg hatte es immer wieder eine sogenannte „Realteilung“ oder „Erbteilung“ bei Überschreibung der Grundstücke im Erbfalle gegeben. Dadurch waren die einzelnen Grundstücke so zerstückelt, dass etwa bei einem Acker kaum noch Flächen von mehr als einem Morgen (2.500 qm) zu finden waren. Der Einsatz moderner landwirtschaftlicher Geräte war aber nur dann sinnvoll, wenn größere Flächen zur Bewirtschaftung vorhanden waren. Das zu erreichen, war Aufgabe der Flurbereinigung. An deren Ende, mit der Neuzuteilung, erhielten die Eigentümer ihren zuvor von Fachleuten des Kulturamtes festgestellten Schätzwert wieder in Form von wenigen „bereinigten“ Parzellen zurück, die über neu angelegte, zum Teil geteerte Wege gut zu erreichen waren.

 

Zu Beginn der 70er Jahre wurde die sogenannte „Gebietsreform“ in Hessen durchgeführt. Im Zuge der Zusammenlegung der Gemeinden fasste der Gemeinderat von Kaulstoß den Beschluss, sich mit Wirkung vom 1. Januar 1972 der Stadt Gedern anzuschließen. Dieser Beschluss wurde allerdings – wie auch in Burkhards und in Sichenhausen – unter dem Vorbehalt gefasst, dass sich die Stadt Gedern im Rahmen der damals bevorstehenden Zusammenlegung der Landkreise dem Vogelsbergkreis anschließt. Die Entscheidung der Stadt Gedern, sich dem Wetteraukreis anzugliedern, führte somit zum Anschluss der drei Niddertalgemeinden an Schotten, denn die Stadt Schotten hatte sich ihrerseits für die Zugehörigekeit zum Vogelsbergkreis entschieden. Der Anschluss an Schotten erfolgte am 1. August 1972, praktisch wurde er jedoch erst mit Wirkung vom 1. Januar 1973 vollzogen.

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